Dienstag, 14. März 2017

Pisagua


Als wir endlich auf einer richtigen Straße waren, ging es in Windeseile ans Meer nach Pisagua.


Der Ort war zur Zeit des Salpeterbooms wunderschön. Es hatten einen Hafen und einen Bahnhof, ein Theater und einen Glockenturm. Damals waren es ca. 2000 Einwohner - heute vielleicht noch 200. Die großen Kolonialgebäude zeugen noch von dieser Größe.


Wir fuhren in den Ort und waren vollkommen entsetzt. Alles war heruntergekommen. Ich wollte unbedingt wieder weg. Aber die Vorstellungen einer Dusche nach den Strapazen war zu verlockend. Wobei ich mir nicht vorstellen konnte, dass es hier einen Campingplatz gibt. Am kleinen Hafen zeigte uns einer von der Marine dass es doch am anderen Ende ein Platz ist. Wir fuhren durch den verfallenen Ort bis ans andere Ende und kamen an einen traumhaften Strand. Zwar war der Platz eher ein kleiner Parkplatz, aber mit kleinem Bad.
Die Kinder waren kaum ausgestiegen und schon am Strand beim Plantschen und am Sandburgenbauen. 



 Hier war einmal der Bahnhof - mittlerweile nur noch eine Ruine, bei der der Zutritt verboten ist - historisches Monument.


Nach seiner Blütezeit wurde der Ort dadurch bekannt, dass unter dem Pinochet Regime hier ein Strafgefangenenlager errichtet wurde. Neben dem ehemaligen Bahnhofsgebäude befinden sich jetzt noch Ruinen, der ehemaligen Zellen. Straftäter, Regimegegner oder psychisch Kranke wurden hier inhaftiert und gegebenenfalls auch einfach ins Meer gestoßen. Im Ort liest man, dass die letzten Toten in den 70ern waren. Im Internet habe ich jedoch gefunden, dass hier Menschen bis zum Ende des Regimes inhaftiert und auch umgebracht wurden. Vor kurzem hat man auch ein Massengrab gefunden. Ein sehr schwarzer Fleck in der Geschichte des Ortes. Als Überbleibsel dieser Zeit fährt immer noch kein öffentlicher Bus bis nach Pisagua. Er Linienbus hält an der Panamericana Abzweigung Pisagua 38 km vom Ort entfernt.

Deshalb lebt hier in den Menschen auch nur die Erinnerung an die glorreiche Zeit. Sie sind unheimlich stolz auf ihr Pisagua. 


Man hat sich auch große Mühe gegeben  - von staatlicher Seite - den Ort zu verschönern



Am Platz gegenüber haben wir die besten Empenadas ever gegessen. Es gab welche nur mit Käse mit Käse und Shrimps bzw. Tintenfisch und das für 1000 Pesos. 


Leider sieht die Wirklichkeit eher so aus. 





Nur ein paar Eindrücke, wie heruntergekommen es hier ist.


Dafür ist die Landschaft um so schöner. Hier konnten wir uns wirklich von den Strapazen der letzten Tage erholen.








Welch ein Sonnenuntergang. Nach zwei Tagen leerte sich der Strand und wir waren auf einmal alleine. Der Platzwart eröffnete uns, dass er nun alles absperren würde und auch heimfahre. Hä!!! Was sollten wir dann machen. Wir wollten noch ein bisschen bleiben. Nun gut, war die Aussage des alten Mannes, dann lässt er das Damenklo/Bad offen und wenn wir fahren sollten wir einfach das Schloss zusperren. Nach einer halben Stunde saßen wir mutter seelen allein am Strand. ... und es wurde Nacht. Irgendwie hatte man da schon ein mulmiges Gefühl. Anfangs haben wir die Lichter der vereinzelten Fahrzeuge beobachtet die in den Ort fuhren, aber nach einer Weile wurde alles so friedlich, dass wir einen wunderbaren ruhigen Abend hatten.


Der nächste Morgen war irgendwie gruselig. Ich krabbelte aus dem Dachzelt und es war diesig und die einzigen Geräusche waren die heranrollenden Wellen des Pazifiks und das Schreiben der Seevögel Unheimlich!! Hier hätte Hitchcock seine wahre Freude gehabt.





Noch unheimlicher als das Schreien der Seevögel waren die Geier. Wie uns später ein Vogelliebhaber erzählte, ist es sehr außergewöhnlich, dass Geier so nahe ans Meer kommen.


Hier das kleine Museum des Ortes, das natürlich wie alles andere auch geschlossen hatte.


Hier wohnen Leute!!!! Im ersten ersten Stock hat man dann anscheinend eine luftige Dachterrasse


Mittags waren wir in einem der beiden Restaurants beim Essen. Das Essen - gebackener Fisch mit Reis und Pommes war sehr gut. Das Lokal war eher ein Sammelsurium von allen Haushaltsgegenständen aus einer besseren Zeit. Theresa bekam, da wir gerade Halloween hatten einen Lutscher in Form eines Gespenstes. Eine war also schon glücklich.


Wir saßen im Eingangsbereich und wenn ich mir das so näher besehe, beginnt erst im Hauptraum das Haus. Der Vorbau ist jedoch schon wieder langsam am Wegbrechen.


Die Restaurantchefin erzählt uns etwas vom Theater und einem Schlüssel. Irgendwie sind wir nicht schlau daraus geworden, Erst als auch noch andere Touristen mit dem Essen fertig waren. Machte sich der Haus mit Ihnen auf dem Weg zum Theater. Wir stapften einfach mit.
Das Theater musste einmal wirklich sehr stilvoll und schön gewesen sein. Heute fällt der Putz von den Wänden und hinter dem Hauptvorhang sieht man direkt aufs Meer. Die Rückwand fehlt einfach.




Hier ein kleiner Eindruck des Gewesenen. Soviel wir verstanden haben, wir das Theater heute wieder genutzt.



... und zwar nicht nur von den Mädels hier, sondern mit richtigen Aufführungen, Eintritt etc. Kaum zu glauben - oder!?




Über dem Ort thront der ehemalige Glockenturm.

Am Heimweg kam eine Frau aus einer der Hütten an der Hauptstraße und bat uns herein. Sie redete auf ein und wollte uns etwas zeigen. Sie packte ein paar alte Steine und Artefakte aus, die sie angeblich einfach so im Sand gefunden hatte und bot sie uns an. Nein danke! Interessant war aber, dass sie uns erzählt sie sei hier eher unfreiwillig gestrandet und das, obwohl ihr Vater hier inhaftiert war. Der kam aus Schweden und war Archäologe. Nachdem er aber psychische Probleme hatte, wurde er einfach nach Pisagua gebracht. Sie meinte, dass das Leben schon manchmal komisch ist. 
Sie erzählte uns auch, dass Arica günstig sei und das Essen spitze. Irgendwie kamen wir noch auf Iquique und dass wir dort bestohlen wurden. Das wunderte sie überhaupt nicht, Iquique sei sehr gefährlich, was Diebstähle betrifft. 

Na danke, das hätte uns vorher mal jemand sagen müssen. Hinterher wussten wir das auch!!


Nachdem hier die Bauwerke ja doch etwas zu wünschen übrig lassen, gibt es überall Kunst


Es gibt sogar eine Photovoltaikanlage für die Straßenbeleutung, die die neu gestaltete Promenade erhellen sollte. Wie man vielleicht erkennen kann, wurde die Anlage aufgestellt und seit dem nie wieder gereinigt und gewartet. Dies ist überhaupt unsere Erfahrung: Mit der Wartung haben sie es hier nicht. 
Man muss nicht erwähnen, dass die Promenade in der Nacht sehr duster ist.


Um die jüngere Vergangenheit, die ja eigentlich nicht stattgefunden hat, zu verschönern, hatte man die Mauerreste mit wirklich tollen Gemälden verziert


Nach einer weiteren staubigen Wanderung in den Ort genehmigten wir uns erst ein kühles Bier ebenfalls im Nostalgie-Look. Die Kinder bekamen von einer Frau einen ganzen Beutel Süßigkeiten - es war tags zuvor ja schließlich Halloween.


Hinter unserem Auto ging es steil in die Wüste hinauf. Der kleine weiß-blaue Punkt ist Max der sich bis zur Straße nach Altpisagua vorgekämpft hatte.


Am vierten Tag unseres Aufenthalts fuhr auf einmal ein weißer Wagen vor. Am Steuer unser Marinechef, der uns auch den Campingplatz gezeigt hatte und neben ihm ein großer, eher stämmiger Mann. Der Mann kam auf uns zu und redete und redete - keine Ahnung was! Das einzige was wir verstanden, war "am Ortsplatz", "heute", "14.30"

War das eine Einladung? Aber wozu? 

Mal schauen. Gegen 14.30 machten wir uns auf den Weg ins Dorf. Als wir ankamen waren schon ein Haufen Leute da. Ich denke von den 200 Einwohnern waren zumindest 80 % anwesend. Die Kinder standen in kleinen Gruppen zusammen. Einige hatten ihre Schuluniform an andere hatten Kostüme an. 
Der stämmige Mann stellte sich als Bürgermeister heraus. Ein Rednerpult war aufgebaut. 
Ein junger Mann mit Trompete lief die Straße entlang und dirigierte ein nicht vorhandenes Orchester. Die Situation war völlig grotesk. 
Auf irgendetwas schienen alle zu warten.

Nach gut einer dreiviertel Stunde wussten wir auch auf was. Irgendein hohes Tier vom Militär oder der Marine war noch nicht da. Aber was lange währt, wird endlich gut!

Von weitem vernahm man schon die Musikkapelle. Es marschierten die Marine und die Polizei mit Blaskapelle auf. Nach einem kleinen Zug musste der "Landrat" (er war auf alle Fälle wichtiger als unser Bürgermeister) die Parade abnehmen. Unser Trompeter ging auch die Reihen ab und salutierte ;) 
Nun begannen die Reden. Es stellte sich heraus, dass an diesem Tag vor 137 Jahren eine entscheidende Schacht im Salpeterkrieg zwischen Chile und Peru/Bolivien gewonnen wurde und so der nördliche Teil zu Chile fiel. Die Kinder tanzten und am Schluss wurde die Parade weitergeführt. Am Ende des Zuges marschierten dann auch noch die Bomberos (Feuerwehr) inklusive ihrer Fahrzeuge und stoppten beim Feuerwehrhaus. Der Bürgermeister kam zu uns und lud uns wie alle Bürger Pisaguas zu Empenadas und Getränken ein. 
Anschließend war das Fest zu ende.

Vielleicht noch ein Anekdötchen am Rande. Alle Besucher des Festes stellten sich am Feuerwehrhaus wegen des Essens an. Völlig selbstverständlich Männlein und Weiblein getrennt. Theresa und ich waren die einzigen Frauen in der rechten Reihe. Komisch sind die schon die Chilenen!


Abends verbrachten wir wieder an unserem schönen Strand. Der Platzwart vom Campingplatz schaute vorbei, ob wir immer noch da seien. Er brachte auch gleich Verstärkung mit. Ein älterer Mann kam zu uns und sprach uns auf deutsch an. Sein Englisch war aber besser. Er musste dem Platzwart übersetzen. 



Am letzten Tag vor unserer Abreise probierten wir das andere Restaurant aus. Paul und ich genehmigten uns wieder Fisch. Die Kinder blieben bei Altbewährten: Empenadas mit Käse


Auch dieses Lokal hatte schon bessere Zeiten gesehen. Aber gut, dass wir in der Atacama - in der trockensten Wüste der Welt, sind, da macht es auch nichts, dass das Dach einfach wegrostete!



Unser letzter Abend in Pisagua. Die Kinder tollten am Strand umher und bauten mal wieder eine Sandburg. Wir genossen die Ruhe mit einem kleinen Gläschen Wein. 


Am nächsten sollte es nun endlich nach Arica gehen. Wir waren schon gespannt, was uns dort erwarten würde.